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Llorenç Villalonga
1897-1980

3. Alemany [Fragment aus Bearn]

„[...] Die Weiblichkeit ist heute ein exquisites und notwendiges Produkt, das man aus nächster Nähe, das heißt ganz mit Ruhe, ansehen und genießen sollte. Die Jahre lehren uns, indem sie uns von der neugierigen Liebe ein ernüchterndes Bild geben, die unendliche Vielfalt der Gewohnheitsliebe zu schätzen, oder, wenn wir so wollen, der ’Liebe in Miniatur’. “Was siehst du dort, was du hier nicht siehst?”, fragt Kempis. Die Meister der niederländischen Schule verstanden ihn so, dass sie mit Miniaturverfahren malten, d.h. genau das Gegenteil der schrecklichen Schule von Barbizon, die heute modern ist. Und wir müssen nicht weiter nach “interessanten” Themen wie dem Abenteuerroman suchen, weil alles, was man ausführlich betrachtet, interessant ist!“

Wenn ich diese Seiten lese, die ich vor ungefähr einem Jahr geschrieben habe, so wird mir Gott verzeihen, wenn sich mein Herz mit Hoffnung füllt und ich glaube, dass es irgendein mysteriöses Gesetz geben muss, dass verhindert, dass zwei Menschen, die sich wirklich in jener Welt geliebt haben, im Jenseits getrennt werden. Im Buch VIII der “Metamorphosen”, als Jupiter Filemon und Baucis entlohnen will, die zur Hilfe geeilt waren, weil sie ihn für einen Bettler hielten, gewährt er ihnen das gleiche Ende und verwandelt sie in Bäume, damit sie an ein und demselben Ort gemeinsam verwurzelt sind.

—Dieses Gesetz muss existieren —sagt manchmal mein Beschützer—. Im Himmel können sie nicht so unaufmerksam sein; und wenn sie eine verheiratete Frau einladen, dann müssen sie zwangsläufig auch ihren Mann einladen.

—Nehmen wir an, dass man nicht über sein Verhalten empört ist —antwortete ich.

—Wenn er so schlecht war...

Das ganze Problem lag genau darin.

Ich habe schon gesagt, dass er fast nie diskutierte, weil er im Grunde dickköpfig war und gleichzeitig skeptisch, daher schien es ihm unschön, in einem Gespräch “die gesammelten Fehler, wie er sagte, jahrhundertelanger Erfahrungen” aufzuzählen. Zum anderen, wer hat sich nicht vernünftige Überzeugungen bewahrt, die manchmal Wirklichkeit wurden? Vor etwa fünfzig Jahren hielt George Sand die Mallorquiner für ungebildet und behandelte sie so, weil sie glaubten, dass die Schwindsucht ansteckend sei. Pasteur und Koch haben diesen ignoranten Bauern Recht gegeben. Mein Beschützer selbst, so liberal wie er auch ist, hatte seine Tabus, seine Dogmen —wenige zwar, aber unveränderliche— die nicht alle aufgezählt werden können. Hatte er sich nicht in einer denkwürdigen Nacht an der Feuerstelle strikt geweigert, die Neugier von Xima zu stillen? Es handelte sich um den Puppensaal, einen traurigen Punkt in der Geschichte von Bearn, soviel ist sicher, aber über wie viele andere heikle Angelegenheiten wird in diesen Memoiren nicht gesprochen, von denen er angeordnet hat, dass sie veröffentlich werden sollten!

Soweit ich aus wenigen Gesprächen und einem vergilbten Dokument in einem alten Buch mit Erzählungen herausfinden konnte, hatte Ende des 18. Jahrhunderts Felip de Bearn, Hauptmann der ehrwürdigen Kavallerie von Aranjuez und einer der jungen “Löwen” des Hofes, sich mit einem italienischen Abenteurer angefreundet, der Spielzeug herstellte und sich damit beschäftigte Puppen anzukleiden, von denen er “mehr als zwanzig” —so das Dokument— “im Flaggensaal der Kaserne ausstellte...” “Mit eigenen Händen —so das Dokument weiter— fertigte er alle Kleider an und bestickte die Ränder...” Aus der Armee verstoßen, trotz der Bemühungen des Friedensprinzen, der versuchte, ihn von dieser seltsamen Manie abzubringen, zog er sich nach Bearn zurück, wo er die letzten Jahre seines Lebens verbringt, voll und ganz seinen abwegigen Beschäftigungen gewidmet. Er schrieb viele Karten und schien mit Personen am Hofe Karls V. und Friedrich von Preußens zu korrespondieren. Der Herr, erwähnt hingegen jene Tatsachen nicht in den Memoiren. Er führt nur, in den letzten Kapiteln, einige allgemeine Überlegungen über die Verweiblichung an, die er für eine romantische Degenerierung hält; wir können vermuten, dass er beim Verfassen der Kapitel an seinen Vorgänger dachte: “Als ich in der Schule war”, schreibt er, “fiel es mir auf, dass einige meiner Kameraden, die häufig mit Mädchen spielten, als verweiblicht galten. Als ich größer war, konnte ich beobachten, dass diejenigen, die am männlichsten waren, die öffentlichen Häuser besuchten, um die Vestalinnen zu beleidigen und die Möbel auf die Straße zu werfen. Mir wurden sie zu einem Trauma, als ich eines Nachts mit einer jungen Rothaarigen verschwand... Mein Verhalten wurde der Angst zugeschrieben, weil diese Ausschweifungen in der Tat nicht nur unangenehm, sondern obendrein auch noch gefährlich und Zeichen für einen Mangel an Kameradschaftlichkeit waren.” “Du wirst verstehen”, sagten sie zu mir, dass unter Männer gilt, wer zuerst kommt, mahlt zuerst...”

“Dieses Mal hatten sie Recht, aber wenn man bedenkt, dass die Welt eine Kugel ist und die Schlangen sich in den Schwanz beißen, kämen wir zu dem Schluss, dass eine exzessive Männlichkeit sexuell ins Gegenteil führen kann. Es besteht kein Zweifel, dass es in diesen Angelegenheiten besser ist, dogmatisch zu sein. Im 18. Jahrhundert gab es Oberste, die sticken konnten und die gleichzeitig perfekt Galane waren”.

Diesen letzten Satz habe ich hervorgehoben, und er ist vielleicht die einzige Anspielung jenes Herrn auf die heikle Angelegenheit. Eine Angelegenheit, die psychologisch noch heikler wurde, da, wie es scheint, am Tag nach dem Besuch eine stadtbekannten Ritters, Felipe auf dem Boden vor seinem Bett tot aufgefunden wurde. Man sagt, er starb eines gewaltsamen Todes.

(Aus Bearn, S. 156-158)

Übersetzung aus dem Katalanischen von Katharina Wieland ©




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Institut d'Estudis Baleàrics