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Salvador Espriu
1913-1985

Coberta del llibre Les cançons d'Ariadna.
Coberta del llibre El caminant i el mur.
Coberta del llibre La pell de brau.
Coberta del llibre El caminant i el mur.
Coberta del llibre La pell de brau.
Coberta del llibre Les cançons d'Ariadna.

3. Deutsch [Poesie]

Mein Volk und ich

Zur Erinnerung an Pompeu Fabra,
      unser aller Lehrer.


Wir schluckten viel
sauren Wein des Spotts
mein Volk und ich.

Wir hörten laut
die Beweiskraft von Säbeln
mein Volk und ich.

Eine solche Lektion
mussten wir verstehen
mein Volk und ich.

Dasselbe Los
einte uns für immer
mein Volk und mich.

Herr oder Knecht?
Wir sind nicht zu trennen
mein Volk und ich.

Wir haben Recht
gegen Pack und Diebe
mein Volk und ich.

Wir retteten
unsrer Sprache Worte
mein Volk und ich.

Gebeugt lernten wir
auf den Stufen der Trauer
mein Volk und ich.

Auf des Schachtes Grund
blicken wir nach oben
mein Volk und ich.

Beide stehn wir auf
in heller Erwartung
mein Volk und ich.

B., 9. Februar 1968

(Aus: Les cançons d'Ariadna [Ariadnes Lieder], 1949)

* * *

Versuch eines Lobgesangs im Tempel

Oh, wie müde bin ich meines
feigen, alten, ach so wilden Landes,
und wie gern würde ich fortziehn,
nordwärts,
wo es heißt, die Menschen seien sauber
und edel, gebildet, reich, frei,
aufgeweckt und glücklich!
Die Brüder in der Versammlung würden dann
missbilligend sagen: “Wie der Vogel ohne Nest
ist der Mensch, der sein Haus verlässt”,
während ich, schon weit weg, lachen würde
über das Gesetz und die alte Weisheit
dieses meines kargen Volkes.
Aber meinen Traum darf ich niemals erfüllen
und werde hier bleiben bis zu meinem Tod.
Denn auch ich bin reichlich feige und wild,
und liebe zudem mit
verzweifeltem Schmerz
dieses mein armes,
hässliches, trauriges, glückloses Vaterland.

(Aus: "El Minotaure i Teseu" [Der Minotaurus und Theseus] in El Caminant i el Mur [Der Wanderer und die Mauer], 1954)

* * *

XLVI

Es kann nötig sein und unumgänglich,
dass ein Mann für ein Volk stirbt,
aber niemals darf für einen Mann allein
ein ganzes Volk sterben:
denk immer daran, Sepharad.
Sichere die Brücken des Dialogs,
die Vielfalt der Gedanken und Sprachen deiner Kinder
such zu verstehen und zu lieben.
Dann falle der Regen weich auf die Saat
und die Luft wehe wie eine offene Hand
sanft und wohltätig über die weiten Felder.
Dann lebe Sepharad ewig
in Ordnung und in Frieden, in der Arbeit,
in der schwierigen und verdienten
Freiheit.

(Aus: La Pell de Brau [Die Stierhaut], 1960)
 

Übersetzung aus dem Katalanischen von Claudia Kalász ©

* * *

Die erinnerten Rosen

Erinnerst du, wie jene
Hände uns einst Sankt Georgs
Rosen brachten, die alte
Helle des Aprils. Nieselnd
fiel ein Regen. Und wir,
langweilgepeinigt, hinterm
Fenster, wir schauten, vielleicht
krank, hinunter zum Leben
auf der Straße. Und da
kam sie, immer voller Duft,
voll Güte, mit den Blumen
und sperrte aus, weit weg,
das Leiden des armen Drachen
und sagte zärtlich sanft
unsere kleinen Namen
und lächelte uns an.

(Aus: Final del Laberint [Das Ende des Labyrinths]. Frankfurt: Ed. Vervuert, 1986)
 

Übersetzung aus dem Katalanischen von Fritz Vogelsang ©

Amb el suport de:

Institució de les Lletres Catalanes