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Blai Bonet
1926-1997

3. Alemany

Der Christus von Port-Royal

Ich bin nicht ans Kreuz genagelt, weil der Tod unvermeidlich ist,
sondern weil er nützlich ist.
Siehst du nicht, dass ich mein Blut hingebe,
damit du das Gebot einhalten kannst, keine Angst zu haben?

Bevor ich sagte “Liebt euch”,
und besonders bevor ich sagte “Erbaut meine Kirche”,
habe ich immer gesagt, “Habt keine Angst”,
Doch du hast es nie als Gebot aufgefasst.
Das erste Gebot lautet aber: du sollst keine Angst haben. Angst ist tierisch.
Dein täglicher Körper gleiche so wenig wie möglich einem Tier.

Wenn du Angst hast, ist der Grund dafür, dass du nicht weißt, was mit dir passieren wird.
Und wenn du nicht weißt, was mit dir passieren wird,
ist der Grund dafür, dass du nicht zwischen der Wahrscheinlichkeitsrechnung und mir gewählt hast.
Meine Anhänger sind intelligent, wild entschlossen und praktisch:
sie wissen, dass sie das durchmachen müssen, was ich durchgemacht habe,
weil es keinen anderen Weg gibt:
da leidet man Hunger, Einsamkeit, Intelligenz,
Ungerechtigkeit, Verleumdung, Philosophie und Geisteswissenschaften.
Aber nur auf dieser engen Straße wirst du deutlich und fest sprechen können
zu denen, die aus meiner Erlösungstat einen Studiengang gemacht haben.

Sieh mich an: überzeuge dich, dass nur wenige ausgewählt sein wollen.
Sieh, wie ich mein Blut hingebe
in einem unsichtbaren Brand von Leidensfähigkeit
und vergleiche das mit den großen Reden der in mir Promovierten.
Alles ist möglich,
außer, dich öffentlich auf meine Seite zu stellen,
ohne dass dir etwas passiert.
Wenn dir nichts passiert,
dann machst du in Wirklichkeit aus deinem Leben Vorsicht, Philosophie, Geisteswissenschaften.

Sieh mich an: du wirst sehen, dass Friede nichts mit Ruhe zu tun hat.
Sprich so wenig wie möglich;
handle stellvertretend für alle anderen,
besetze ihren Platz, wenn sie ihn, lebend, leer gelassen haben.
Ich habe es so gemacht und der Vater hat mich von den Toten auferweckt.

Vertiefe dich nicht in Wörter. Ich habe dich nicht mit Wörtern gerettet.
Sie, wie ich dich erlöst habe: ich war arm, wie es üblich ist;
Da tat ich zwei so schwierige Dinge
wie wachsen und dem Willen meines Vaters gehorchen.
Ich war achtzehn, wie du,
und indem ich diese achtzehn Jahre für meinen Gott bewahrte, habe ich sie von der Welt ausgelöst;

Mit dreißig, als ich das Wachstum,
die Leere, die Notwendigkeit und die Jugendblüte eines Mannes unter Männern kennengelernt hatte,
verließ ich meine Eltern, die Arbeit und das Dorf;
nichts in der einen Tasche, nichts in der anderen,
machte ich mich auf den Weg,
wortwörtlich an Gottes Hand, um die Stirn zu bieten
und gegen das Übel zu kämpfen, ohne es je zu erklären.

Wie ich sehe, fragst du mich nicht,
warum ich das Übel nicht erklärt habe.
In deinem Schweigen liegt die Reue,
die bis ins Letzte weiß, wie die theologischen Kavernen
geschaffen wurden, die du in deinem linken Lungenflügel hast.

Sag Pater Alfred Rubio, dass das Übel ein Resultat der Geschichte ist,
es bildet nicht Teil des Mysteriums und darum habe ich es nicht erklärt.
Mir begegneten Beine, die von der Polio der Geschichte befallen waren,
ich verzieh in ihnen die Verbrechen der Geschichte
und sie konnten gehen.
Zu mir kam ein Mann, der nur noch das Grau der Steine sah,
ich verzieh in seiner Blindheit der Geschichte
und schenkte seinen Augen wieder Bäume.
Ich stieß auf einen Leichnam,
ich gab ihm von meinem Leben und erhob ihn von Neuem
zum göttlichen Geschäft des Lebens
und zum mysteriösen Geschäft, meiner Zeit anzugehören,
mich persönlich kennenzulernen,
oft ohne dass es den Betroffenen angenehm war,
denn sie mussten mitansehen, wie ich von der Polizei festgenommen wurde.
Was ich dir damit sagen will, ist, dass das Übel durch die Heilung erklärt ist.

Verlier also weder Zeit noch Leben,
indem du zynisch eine Erklärung suchst für das, was du weißt ohne es zu sagen.
Bekämpfe das Übel konkret, da hinten findest du es nicht,
und der Kampf wird dir alles enthüllen,
vor allem wenn das Ergebnis klar ist,
das heißt, wenn du scheiterst.
Oder weißt du nicht, dass beim Scheitern im Kampf
nicht der Mensch scheitert, sondern der Erfolg?


Wenn du nicht aufhörst arm zu sein,
wirst du der Welt und der Macht immer überlegen sein,
außerdem wird man es sehen.
Der Arme, ein Geheimnis seiner selbst, flößt immer Furcht ein,
der Arme ist wörtlich eine Erscheinung, wie ein Geist,
und er ist es durch mich.
Lass mich also erscheinen.
Zur Genüge weißt du, dass du mein Reisepass bist.

Nein. Sprich mir nicht von deinen eigenen Sünden,
denn von diesem Kreuz aus gesehen, existieren nur die der ganzen Welt.
Kämpf, wenn du kannst, und wenn du nicht kannst, schlag dich
im Gefühl dieser Ohnmacht, die dir sagt, wozu du fähig bist.

(Aus: L'Evangeli segons un de tants [Das Evangelium nach Einem von Vielen], 1967)

* * *

Das schönste Katalanisch der Welt

Langsame Steineichen, mütterliche Feigenbäume,
kristallene Pappeln, klingend sprudelnde Quelle,
Schattiger Olivenhain, dunkle Helle,
Brombeersträucheraufruhr, stumm, nicht zu zäumen,
Ein Apfelgarten gemalt, Frische von Birnbäumen,
Wolfsmilchpolster, kühle eingepferchte Stelle
mit Affodil in zerknitterter Seidenhülle,
glatte Felsen, Spargel, Weinbergsträubel,
die Steine bedecken gelbe Flechtenfelle
wie die Münze der Stunden, die unter Stieglitzen träumen,
blaue Lavendelähren, Mastixpflanzen säumen
den Weg, flammende Büsche, Kompass-Lattich, rund,
Pinien wie Gemsen im aufgehaltenen Sprung
erklettern gewandt die Küste über Meeresschäumen,
bultige Horste der Segge in feuchten Räumen,
wilde Steilhänge, Nordostwind,
salzige Tiefe, Meer: theatralisch gesinnt,
flaches Marschland, Felsen, die sich gegen die Wetter aufbäumen...
Wie eine Zunge legendärer Blume entrinnt
nah bei der Wurzel die Blüte des Rosmarins tiefen Träumen.

(Aus: El jove [Der junge Mann], 1987)

Übersetzung aus dem Katalanischen von Claudia Kalász ©



Amb el suport de:

Institut d'Estudis Baleàrics