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Gabriel Ferrater
1922-1972

3. Alemany

Fragment des Gedichts IN MEMORIAM

Als der Krieg ausbrach, war ich
vierzehn Jahre und zwei Monate alt. Einstweilen
beeindruckte er mich wenig. Ich hatte den Kopf
voll mit einer anderen Sache, die ich noch immer
für wichtiger halte. Ich entdeckte
Les Fleurs du Mal, und das bedeutete,
die Dichtung, gewiss, aber
da war noch etwas, wofür ich keine Worte habe
und worauf es ankommt. Die Revolte? Nein.
So nannte man es damals. Ausgestreckt
in einem Haselnussbaum, am Herzen einer Rose
mit weichen und ganz grünen Blättern, wie
die abgezogene Haut einer Raupe, dort, hingelegt
in den Schoß der Welt, entwickelte ich mich
in glücklicher Revolte, während das Land
sich entfesselte in Revolte und Gegen-
revolte, vielleicht nicht glücklich, aber
revoltierter als ich. Das sittliche
Leben? Es nähert sich, aber es scheint mir zweideutig.
Vielleicht spricht man besser von Egoismus,
denn man sollte bedenken, dass wir mit vierzehn
die erste Person anlegen müssen:
der Plural wird uns zu eng und die Übung
des auf der Säule stehenden Singulars, die Übelkeit
des auf sich selbst Hinaufgestiegenen
halten wir für ein gutes Zukunftsprogramm.
Danach kommen die Jahre, und zum Glück
gehen sie auch wieder, und uns ermüdet
die Hand von der Liebkosung der störrischen Stirn
des vertrauten Lamms, und dann übernehmen wir
diesen Plural, wer weiß, ob aus Bescheidenheit,
der dem Singular entsagt, man entlässt ihn,
natürlich mit Dank und Lohn. Genug.
Am Ende der Ferien, doch,
da sah ich, dass irgendjemand meiner Welt
ein neues Gesicht verpasst hatte. Feuer und Blut.
Das kam mir nicht schrecklich vor, doch es waren
das übliche Feuer und Blut. Meine Schule,
von Priestern geführt, wurde verbrannt und Guiu,
der Feldwebel, mit dem wir paramilitärische
Turnübungen machten, und den wir alle hassten
(ich kehre zur ersten Person Plural zurück, weil das Leben
immer regrediert), der Guiu wurde
erschossen, und man erzählte uns,
dass es Mühe gekostet hatte, denn er trug
ein Kettenhemd unter dem Kostüm
einer alten Bäurin, und im Korb,
unter den Eiern, verbarg er Granaten.
Sie töteten ihn in einer Ecke
des Herkulesplatzes, neben dem Gymnasium,
wo wir unsere Unterrichtspausen verbrachten,
und ich erinnere mich nicht, dass der Ort uns irgendwie
gezeichnet vorkam, oder dass wir
eine Kugel in einem Platanenstamm
noch irgendein anderes Indiz finden wollten. Was das Blut betrifft,
versteht sich von selbst, dass es, vielleicht noch am selben Tag,
vom Wind verweht wurde. Vielleicht hat es den Staub
etwas schwerer gemacht, sonst nichts.
Die verbrannten Wände der Schule,
ich weiß nicht, ob ich mich an sie erinnere oder ob ich sie mir ausdenke.
Wir gingen nicht rein. Wir waren in der Mauser und
interessierten uns nicht für die Reste
der abgeworfenen Federn. Wir rochen die Angst,
das Gewürz jenes Herbstes,
aber sie schien uns gut. Es war eine Angst
der Erwachsenen. Wir schlüpften aus der Kinderangst
und hatten das Glück, dass die Welt es uns
fast ganz leicht machte. Je mehr Angst
sie hatten, um so freier fühlten wir uns.

(Aus: Da nuce pueris, 1960)

* * *

Herbstliches Schlafzimmer

Die Jalousie, nicht ganz geschlossen, wie
ein Schreck, den man aufhält hinunterzufallen,
trennt uns nicht von der Luft. Sieh, es öffnen sich
siebenunddreißig gerade, schmale Horizonte,
doch das Herz vergisst sie. Ohne Wehmut
stirbt uns das Licht hinweg, erst von der Farbe
des Honigs, hat es nun die Farbe des Apfeldufts.
Wie langsam die Welt, wie langsam die Welt, wie langsam
der Schmerz um die Stunden, die so schnell
vergehen. Sag, wirst du dich an dieses Zimmer
erinnern?
     “Ich mag es sehr.
Jene Stimmen der Arbeiter... Wer sind sie?”
           Maurer:
im Wohnblock fehlt ein Haus.
            “Sie singen,
aber heute höre ich sie nicht. Sie rufen, lachen,
aber heute, wo sie schweigen, ist es seltsam.”
            Wie langsam
die roten Blätter der Stimmen, wie ungewiss,
wann sie kommen uns zu bedecken. Schlafend
bedecken die Blätter meiner Küsse
die Schlupfwinkel deines Körpers, und unter deinem Vergessen
der hohen Blätter des Sommers, der offenen Tage,
ohne Küsse, erinnert sich
ganz in der Tiefe der Körper: noch
hat deine Haut ihre Farbe halb von der Sonne, halb vom Mond.

(Aus: Menja't una cama [Iss doch dein Bein], 1962)

* * *

Muße

Sie schläft. Die Stunde, wo die Männer
schon erwacht sind und wenig Licht
erst eindringt um sie zu verletzen.
Mit ganz wenig haben wir genug. Nur
das Gefühl zweier Sachen:
die Erde dreht sich und die Frauen schlafen.
Versöhnt brechen wir auf
zum Ende der Welt. Wir brauchen nichts
zu tun, um ihr zu helfen.

(Aus: Teoria dels cossos [Körperlehre], 1966)

Aus dem Katalanischen übersetzt von Claudia Kalász ©


Amb el suport de:

Institució de les Lletres Catalanes