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Miquel Àngel Riera
1930-1996

3. Alemany

Ich liebe dich, doch das ist mir egal. Nicht lange mehr
muss ich die Erniedrigung des lebenerhaltenden Auswurfs,
der die Liebe ist, ertragen. Schon neigt sich die Stunde
der geöffneten Fenster, der staubigen Zähne,
der Flecken vom Keuchen auf den Revers
und der Haifische in Muskeln und auf Seitenwegen.
Alle Sicherungen meiner rechten Hand brennen durch,
wenn ich dich nur mit zwei rankenden Fingern berühre,
um dich ganz in mich zu holen. Aber es entzünden sich
Nordlichter, die ansteckend sind.
Ich liebe dich, doch das ist mir egal. Wir warten
auf den zerschmelzenden Blitz, der uns legiert
und dich so in mir einfasst, dass ich zu dir sagen kann:
“Jetzt liebe ich dich so sehr, dass du sterben kannst, wann du willst.”

(Aus: Poemes a Nai [Gedichte für Nai], 1965)

* * *

Ach ja, die Dinge,
dieselben vertrauten Dinge,
die alltäglichen, von denen ich dir früher sprach,
von denen wir vorsichtig eine Kante betasten,
das Wort betasten wir
wie einen alten durch und durch vertrauten Bekannten,
und mit denen wir einen Keil unter die Existenz schieben,
damit unsere Sicherheit nicht ins Wanken gerät,
dass wir unsere nötige Portion Leiden bekommen,
sie, die pickend an unserem Tisch sitzen,
um einen Bissen vom Leben abzubekommen,
die vor uns zögernd innehalten,
ohne je das Schild zu verlieren,
das den Taxwert ihrer Bedeutungslosigkeit anzeigt,
und die wir gewöhnlich,
wie es sich gehört, an der Tür empfingen und verabschiedeten
ohne daran zu denken, ihnen
“unsere besten Empfehlungen an die Familie” aufzutragen,
sie, die Dinge, ziehen sich unerwartet zurück,
damit der Mensch,
der mit kurzsichtigem Glauben
durch die ganze Ausdehnung des Worts ging,
fühlt, wie er sprießt,
hin zum Glücklichsein.

Ich habe gesagt, zum Glücklichsein, ohne
dass ich jetzt beim Wort genommen
und daran vor ein Erschießungskommando
zur Exekution geführt werden möchte.
Es genügt vielleicht, dass man in einem Winkel der Sonne
vom Aussichtspunkt des Rohrstuhls
sieht, wie das Thermometer des nach außen gerichteten Blicks,
weit geöffnet,
die Temperatur des Lebens anzeigt, gerade die richtige,
um uns den ganzen Sonntag lang wachsen zu lassen,
bis wir unverkennbar den Zustand von Infusionstierchen erreicht haben.
Dann verstehen wir
mit derselben Klarheit, womit ein Wort
getränkt wird, das durstig zu uns kommt,
dass der Schuh, den wir
wie einen entfernten Verwandten tragen,
und der uns in seiner Lederfaust die Wurzel wärmt,
mit der wir einen festen Standpunkt zum Vorteil des Lebens gewinnen,
drückt und dabei
sein erstes Adjektiv erfunden hat,
in der richtigen Proportion, damit das seine
nicht als Zeichen von Komplizität ausgelegt werden kann,
auch wenn es das ist. Das ist ein Beispiel.
Jeder lösche das Feuer,
dass dieses unvermutete
Attentat
der Dinge
in ihm entzündet.
Lieben, wenn es mir geschieht, wenn
meine Haut beginnt, überall Rötungen aufzuweisen,
ist ganz so, wie den Abhang
mit dem Fahrrad des Fünfzehnjährigen hinunterzufahren,
die Füße am Lenker und die Hände
wie die Bügel einer Straßenbahn in der Luft,
um gegen die hohe Neigung der tieffliegenden Mauersegler zu drücken.
Lieben wird in diesem Fall,
die gewissenhaft rasende Freude
eines dichten und ungezügelten Laufs,
der bei jedem Tritt das Gras versengt und überall
warme Steinplatten hinterlässt,
auf denen das eigene Geburtsdatum steht.
Wenn die Dinge dann so liegen,
kennst du mich schon und weißt,
dass ich dir die Hand auf die Wange lege,
wie jemand, der einen lebenspendenden Ring berührt,
und ich werde dir sagen,
dass ich dich liebe,
dass ich unaufhaltsam das Lieben erfinde
und dem Leben von jeder Silbe aus das Wechselgeld zurückgebe,
dass ich von allem zu dir zurückgeworfen werde,
dass ich endgültig alle Barrikaden aufgebe,
denn dann hat der Satz “ich liebe dich”
das ganze Ausmaß eines letzten Blicks
zurück zum Tor unseres Hauses
und den tiefen Wiederhall
eines Rasiermessers, das die Ader sucht,
um ein für alle Mal
die ganze versaute Ausdehnung der Wahrheit zu beweisen.
So “ich liebe dich” zu sagen
ist erfinden ja zu sagen
und sich die Zunge mit den Zähnen abzuschneiden,
ist mit dem Durst bis zum Hals im Wasser zu stehen
und durstig zu sein,
ist das Erstgeborenenrecht für einen Teller Lust zu verkaufen
oder das Leben einzutauschen gegen eine kurzblühende Orchidee
und immer vollständig Recht zu haben,
was mich betrifft.
Die rasende Geschichte des Liebens,
diese Wunde,
dass Lieben immer dich lieben heißt,
erzeugt täglich zunehmend
einen trockenen, kurzen Verlauf,
wo das Lieben
in jedem Augenblick
beginnt und endet:
dir in die Augen zu sehen, bis ich dich aus dem Blick verliere,
dich sagen zu hören “das Unsrige”,
nur das, oder zu sagen “ich dachte,
es ist wunderbar, was uns gerade passiert”,
dir mit der häuslichen Hand über die Stirn zu streichen und zu fühlen,
wie mir im Arm das Geräusch des Lebens hochsteigt,
das hat den unverwechselbaren Sinn eines letzten Schlucks
und schließt einen Kreis,
wo sich das Begehren enziffert und auflöst,
und mein Leben von der Form eines Sondierungsschachts
endgültig
die radikale
Bedeutung
erhält, zu der ich hinwuchs,
als durch die Welt gehen
noch barfuß gehen war
durch das zerstreute menschliche Dasein,
damit anzufangen, dich zu erwarten.

(Aus: Biografia [Biographie], 1974)

* * *

Entfernt euch von mir, wenn ihr seht, dass die Trauer
sich in meinem Herzen eingenistet hat, im Gedärm oder im Penis,
und meine Landschaft ihrer Herrschaft unterworfen ist,
mein ganzes Ich dem Code ihrer Zeichen gehorcht,
und diese zur Wurzel geworden sind, aus der meine Ästhetik erwächst.
Wenn ihr es nicht gleich tut, besteht die Gefahr dass ich euch anstecke,
denn ich fühle mich sehr lebendig, wenn die Trauer mich tötet,
und ein ich weiß nicht was drängt mich, ihr Anhänger zu verschaffen.
Trennt euch von mir, wenn ihr seht, dass sie mich durchdringt,
aber geht nicht weit weg: ich werde sie schließlich ersticken,
ihr die Augen auskratzen, sie töten, sie mit Wut umarmen,
damit sie mir vielleicht gesteht, aus welchem Grund sie mich liebt.
Manchmal weiß ich nicht, ob sie mich schmerzt oder ob sie mir gefällt.

(Aus: El pis de la badia [Die Wohnung in der Bucht], 1992)

Übersetzung aus dem Katalanischen von Claudia Kalász ©


Amb el suport de:

Institut d'Estudis Baleàrics